Veröffentlicht am Mai 21, 2024

Die Umstellung auf ein papierloses Büro scheitert im Handwerk selten an der Technik, sondern fast immer am Menschen und an festgefahrenen Abläufen.

  • Die Gewinnung junger Talente (Generation Z) hängt direkt von einem modernen, digitalen Arbeitsumfeld ab.
  • Die erfolgreiche Einführung neuer Tools erfordert die aktive Einbindung erfahrener Mitarbeiter und eine mensch-zentrierte Vorgehensweise.

Empfehlung: Beginnen Sie nicht mit der Software-Suche, sondern mit einer ehrlichen Analyse Ihrer aktuellen Prozesse und der Kultur in Ihrem Betrieb. Echte Digitalisierung ist ein Kulturwandel, kein IT-Projekt.

Kennen Sie das? Der Schreibtisch biegt sich unter Ordnern, Stundenzettel sind unleserlich und auf der Baustelle fehlt Material, weil die Bestellung im E-Mail-Postfach unterging. Das ist der Alltag in vielen deutschen Handwerksbetrieben. Die meisten Meister und Unternehmer wissen, dass die Digitalisierung die Lösung sein könnte. Man hört von Effizienz, Kosteneinsparungen und dem papierlosen Büro als heiligem Gral. Doch oft bleibt es bei dem Versuch, ein paar Apps einzuführen, was nur zu noch mehr Chaos führt.

Die gängigen Ratschläge – „Suchen Sie sich eine gute Software“ oder „Binden Sie Ihre Mitarbeiter ein“ – sind zwar richtig, kratzen aber nur an der Oberfläche. Sie ignorieren die eigentlichen Knackpunkte, die im deutschen Handwerk über Erfolg oder Misserfolg entscheiden: die Ängste der Altgesellen, die Ansprüche der neuen Generation, die rechtlichen Fallstricke bei digitalen Dokumenten und die tief verwurzelte Prozess-DNA, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat.

Aber was, wenn die wahre Lösung nicht darin liegt, krampfhaft Papier durch PDFs zu ersetzen, sondern die Digitalisierung als Chance für einen grundlegenden Kulturwandel zu begreifen? Dieser Artikel geht einen anderen Weg. Wir betrachten die Digitalisierung nicht als IT-Projekt, sondern als eine strategische Entscheidung, die bei den Menschen beginnt. Es geht darum, eine digitale Sogwirkung zu erzeugen, die nicht nur Ihr Büro aufräumt, sondern auch die besten Fachkräfte anzieht und Ihren Betrieb zukunftsfest macht.

Wir führen Sie durch die entscheidenden Fragen, die sich jeder moderne Handwerksbetrieb stellen muss – von der Azubi-Suche über die rechtssichere Unterschrift bis hin zur Einführung der 4-Tage-Woche. Entdecken Sie, wie Sie die menschlichen Hürden überwinden und Ihre Abläufe so gestalten, dass die Technik Ihnen wirklich dient.

Für alle, die einen direkten Einblick in die Praxis bevorzugen: Die folgende Reportage vom Handwerkercamp 4.0 zeigt eindrucksvoll, wie die nächste Generation von Handwerkern Digitalisierung lebt und welche Chancen sich daraus für die gesamte Branche ergeben.

Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, haben wir diesen Leitfaden in acht zentrale Themenbereiche gegliedert. Jeder Abschnitt beantwortet eine kritische Frage auf dem Weg zum digitalisierten und zukunftsfähigen Handwerksbetrieb. Das Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen schnellen Überblick.

Warum finden Sie keine Lehrlinge, obwohl das Handwerk „goldenen Boden“ hat?

Der Slogan vom „goldenen Boden“ zieht bei der Generation Z nicht mehr. Junge Menschen, die mit Smartphones und Apps aufgewachsen sind, erwarten ein Arbeitsumfeld, das ihrem digitalen Alltag entspricht. Ein Betrieb, in dem Bewerbungen per Post gefordert und Arbeitsanweisungen auf Zettel gekritzelt werden, wirkt abschreckend und veraltet. Das Problem ist massiv: Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sind aktuell rund 250.000 offene Stellen und über 20.000 unbesetzte Ausbildungsplätze im deutschen Handwerk zu beklagen. Es geht also nicht mehr nur um Effizienz, sondern um das nackte Überleben.

Die Generation Z sucht nicht nur einen Job, sondern einen Arbeitgeber mit Sinn und moderner Kultur. Sie wollen authentische Führungspersonen, die Tradition mit Technologie verbinden können. Ein volldigitaler Bewerbungsprozess ohne Medienbrüche ist dabei nur der erste Schritt. Viel wichtiger ist die digitale Sogwirkung, die ein durchgängig modernisierter Betrieb ausstrahlt. Wenn potenzielle Azubis auf Social Media oder YouTube sehen, dass bei Ihnen mit Tablets statt mit Klemmbrettern gearbeitet wird und die Kommunikation über eine zentrale App läuft, wird Ihr Betrieb automatisch attraktiver.

Positionieren Sie Ihr digitales Arbeitsumfeld daher ganz bewusst als Vorteil im Wettbewerb um die besten Köpfe. Kommunizieren Sie aktiv, dass Sie auf moderne Arbeitsweisen, Flexibilität und eine gesunde Work-Life-Balance setzen. Dies sind die Argumente, die heute mehr zählen als jede traditionelle Phrase. Ein digitalisierter Betrieb signalisiert Zukunftsfähigkeit – und genau das suchen die Talente von morgen.

Wie führen Sie digitale Stundenzettel ein, ohne dass die Altgesellen rebellieren?

Die Einführung digitaler Stundenzettel ist keine Option mehr. Seit dem BAG-Urteil vom 13. September 2022 ist die elektronische Arbeitszeiterfassung für alle deutschen Unternehmen im Grunde verpflichtend. Doch die größte Hürde ist nicht die Technik, sondern der Mensch. Insbesondere erfahrene Gesellen, die seit Jahrzehnten ihre Stundenzettel von Hand ausfüllen, reagieren oft mit Skepsis oder offener Ablehnung. Sätze wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder „Ich bin Handwerker, kein Büromensch“ sind an der Tagesordnung.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer mensch-zentrierten Technik und maximaler Transparenz. Anstatt der Belegschaft eine komplexe Software vorzusetzen, sollten Sie eine Lösung wählen, die so einfach und intuitiv ist wie eine Messenger-App. Zeigen Sie den Mitarbeitern nicht, was die Software alles kann, sondern wie sie ihren konkreten Arbeitsalltag erleichtert: keine Zettel mehr verlieren, keine unleserlichen Notizen, keine Diskussionen über vergessene Stunden. Betonen Sie den persönlichen Vorteil für jeden Einzelnen.

Erfahrener Handwerker nutzt intuitiv ein Tablet zur digitalen Zeiterfassung auf einer Baustelle.

Binden Sie die Meinungsführer und auch die größten Skeptiker von Anfang an in den Auswahl- und Testprozess ein. Wenn der erfahrendste Geselle die neue App für gut befindet, werden die anderen folgen. Es geht darum, Ängste abzubauen und zu beweisen, dass die Digitalisierung ihre wertvolle Erfahrung nicht ersetzt, sondern unterstützt. Der Fokus muss darauf liegen, den Zweck der Datenerfassung klar zu kommunizieren und Vertrauen zu schaffen, anstatt eine Kontrollkultur zu etablieren. Erst dann wird das digitale Tool nicht als Feind, sondern als nützlicher Helfer akzeptiert.

Ihr Fahrplan zur Einführung digitaler Stundenzettel

  1. Zweck transparent machen: Kommunizieren Sie klar und ehrlich, warum die Daten erfasst werden (z.B. Lohnabrechnung, Nachkalkulation), um Misstrauen zu vermeiden.
  2. Rechtsgrundlage und Datenschutz prüfen: Stellen Sie sicher, dass die Erfassung konform mit § 26 Abs. 1 BDSG und der DSGVO ist. Holen Sie sich im Zweifel externen Rat.
  3. Betriebsrat (falls vorhanden) einbeziehen: Nutzen Sie das Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) als Chance, um gemeinsam eine faire Lösung für alle zu finden.
  4. Datenminimierung sicherstellen: Erfassen Sie nur, was absolut notwendig ist. GPS-Tracking zur reinen Anwesenheitskontrolle ist oft unzulässig und schadet dem Vertrauen.
  5. Schulung und Support anbieten: Lassen Sie niemanden mit der neuen Technik allein. Planen Sie persönliche Schulungen und benennen Sie einen festen Ansprechpartner für Fragen.

BIM-Software oder 2D-Plan: Was ist für mittelgroße Bauprojekte mittlerweile Pflicht?

Die Diskussion um Building Information Modeling (BIM) verunsichert viele mittelständische Bau- und Handwerksbetriebe. Ist das nur etwas für riesige Architekturkonzerne oder bald auch für den lokalen Baumeister Pflicht? Die Antwort ist differenziert. Eine generelle BIM-Pflicht für private mittelgroße Projekte gibt es in Deutschland derzeit nicht. Dennoch ist der Trend unumkehrbar. Laut einer Bitkom-Studie setzen bereits 18% der deutschen Bau- und Ausbaubetriebe BIM ein, weitere 13% planen die Einführung. Wer bei öffentlichen Ausschreibungen mitspielen will, kommt schon heute oft nicht mehr darum herum.

Der wahre Wert von BIM für das Handwerk liegt jedoch nicht in der Erstellung komplexer 3D-Modelle, sondern in deren Nutzung. Das Konzept des „Little BIM“ ist hier der entscheidende Hebel. Anstatt in teure Autorensoftware zu investieren, können Handwerker mit kostenlosen IFC-Viewern auf dem Tablet die von Architekten bereitgestellten BIM-Daten lesen, nutzen und kommentieren. So lassen sich Kollisionsprüfungen durchführen (z.B. „Passt meine Lüftungsleitung an der geplanten Wasserleitung vorbei?“) und Maße direkt aus dem Modell entnehmen, was Fehler und Missverständnisse drastisch reduziert.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, wo BIM in Deutschland bereits verpflichtend ist und wo es sich als Standard etabliert. Für die meisten Handwerksbetriebe ist die Kernbotschaft: Sie müssen nicht selbst zum BIM-Modellierer werden, aber Sie müssen lernen, BIM-Daten zu lesen und zu verstehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

BIM-Anforderungen nach Projekttyp in Deutschland
Projekttyp BIM-Pflicht Gültigkeit Empfohlenes Level
Bundesbauten (Infrastruktur) Verpflichtend Seit Ende 2020 Level I (kollaborativ)
Öffentliche Ausschreibungen (variabel) Häufig gefordert Projektabhängig Oft Level I
Private mittelgroße Projekte Keine gesetzliche Pflicht Optional, aber steigender Vorteil
Zusammenarbeit mit großen GUs Oft vertraglich gefordert Nutzung von IFC-Modellen

Der Fokus sollte auf offenen Standards wie IFC (Industry Foundation Classes) liegen. Das sichert die Kompatibilität zwischen der Software des Architekten und Ihren Werkzeugen. Die Fähigkeit, mit diesen Daten umzugehen, ist ein klares Differenzierungsmerkmal und ein Zeichen von Professionalität und Zukunftsfähigkeit.

Das Risiko bei digitalen Unterschriften, das Ihre Schlussrechnung gefährden kann

Schnell mal den Kunden auf dem Tablet unterschreiben lassen – für ein Aufmaß, einen Regiebericht oder die Abnahme. Das ist praktisch und scheint der Inbegriff des papierlosen Büros zu sein. Doch genau hier lauert ein erhebliches rechtliches Risiko, das im Streitfall Ihre gesamte Schlussrechnung gefährden kann. Der Grund: Nicht jede digitale Unterschrift ist vor einem deutschen Gericht gleich viel wert. Die europäische eIDAS-Verordnung unterscheidet drei Stufen mit unterschiedlicher Beweiskraft.

Die einfache Unterschrift auf einem Tablet-Display, bei der nur das Schriftbild nachgezeichnet wird, ist eine sogenannte Einfache Elektronische Signatur (SES). Ihre Beweiskraft ist extrem schwach. Wenn ein Kunde später behauptet, er habe nie unterschrieben, oder die Unterschrift sei nicht von ihm, stehen Sie in der Beweispflicht. Besonders bei mündlich beauftragten Nachträgen, die nur per Tablet-Unterschrift bestätigt wurden, kann das zu erheblichen Forderungsausfällen führen.

Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten Handwerksbetriebe mindestens auf die Fortgeschrittene Elektronische Signatur (AES) setzen. Eine AES ist eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet und wird mit Methoden erstellt, die eine nachträgliche Veränderung der Daten erkennen lassen. Moderne Handwerker-Apps bieten solche Lösungen an, die nicht nur die Unterschrift, sondern auch Zeitstempel, GPS-Koordinaten und Gerätedaten in einem revisionssicheren Protokoll speichern. Diese Protokolle müssen zudem GoBD-konform archiviert werden. Die höchste Stufe, die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES), ist für die meisten täglichen Vorgänge im Handwerk zu aufwendig und nicht notwendig, kann aber bei Verträgen mit hohem Wert sinnvoll sein.

Wie automatisieren Sie Ihre Nachbestellungen, damit nie wieder Material auf der Baustelle fehlt?

Fehlendes Material auf der Baustelle ist einer der größten Effizienzkiller. Es führt zu Stillstand, frustrierten Mitarbeitern und verzögerten Projekten. Die Ursache ist oft eine unterbrochene Prozesskette: Der Bedarf wird auf der Baustelle auf einen Zettel geschrieben, der Zettel landet irgendwann im Büro, und die Bestellung wird manuell per Telefon oder E-Mail ausgelöst. Dieser Prozess ist langsam und fehleranfällig. Eine McKinsey-Analyse zur Baubranche hat gezeigt, dass Handwerker oft nur 30% ihrer Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten aufwenden, während der Rest für Warten, Suchen und Dokumentation verloren geht.

Die Lösung liegt in der Automatisierung der Prozess-DNA Ihrer Materialwirtschaft. Ziel ist eine direkte, digitale Verbindung von der Baustelle zum Lager des Großhändlers. Moderne Handwerkersoftware ermöglicht dies durch standardisierte Schnittstellen wie IDS-Connect oder UGL. Damit können Ihre Mitarbeiter direkt von der Baustelle aus per App auf die Kataloge Ihrer Lieferanten zugreifen, Echtzeit-Verfügbarkeiten prüfen und Bestellungen auslösen, die direkt im System des Großhändlers landen.

Der nächste Schritt ist die Automatisierung auf Basis Ihrer Kalkulationsdaten. Anstatt manuell zu bestellen, können Sie digitale, auftragsspezifische Stücklisten nutzen, die automatisch aus Ihrer Angebotskalkulation generiert werden. Die Software weiß also schon bei Auftragsbeginn, welches Material wann benötigt wird. Gekoppelt mit einem digitalen Lager im Betriebsfahrzeug kann das System sogar automatisch Nachbestellungen auslösen, wenn ein Mindestbestand unterschritten wird. So verwandeln Sie einen reaktiven, fehleranfälligen Prozess in einen proaktiven, automatisierten und zuverlässigen Ablauf, der Materialengpässe zur Seltenheit macht.

Wie führen Sie die 4-Tage-Woche ein, ohne die Erreichbarkeit für Kunden zu gefährden?

Die 4-Tage-Woche im Handwerk? Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, wird für immer mehr Betriebe zu einem entscheidenden Vorteil im Kampf um Fachkräfte. Es geht nicht darum, weniger zu arbeiten, sondern die gleiche Arbeit in vier statt fünf Tagen zu erledigen. Dies erfordert höchste Prozesseffizienz – eine Effizienz, die ohne durchgängige Digitalisierung kaum erreichbar ist. Doch die größte Sorge der Meister ist oft: „Was ist mit dem Notfall am Freitag? Bin ich dann für meine Kunden nicht mehr erreichbar?“

Die Lösung liegt in einer intelligenten Organisation und der Nutzung digitaler Kanäle, die eine Asynchronität zwischen Arbeitszeit und Kundenservice ermöglichen. Statt eines pauschalen freien Freitags für alle, können Sie mit versetzten Modellen arbeiten. Team A hat montags frei, Team B freitags. So ist der Betrieb die ganze Woche über besetzt. Eine andere Möglichkeit ist ein rotierender Notdienst, der digital über eine zentrale Plattform koordiniert wird.

Symbolische Darstellung eines digitalen Kundenportals, das eine 24/7-Serviceverbindung im Handwerk visualisiert.

Ein digitales Kundenportal kann hier zum entscheidenden Werkzeug werden. Kunden können dort rund um die Uhr Anfragen stellen, Termine buchen oder den Status ihres Projekts einsehen – auch wenn im Büro gerade niemand ans Telefon geht. Eine automatische Eingangsbestätigung mit dem Hinweis, wann die Anfrage bearbeitet wird, schafft Vertrauen und managt die Erwartungen. So entkoppeln Sie die Erreichbarkeit von der physischen Anwesenheit Ihrer Mitarbeiter. Sie bieten sogar einen besseren, weil transparenteren Service, während Ihr Team von einer attraktiven 4-Tage-Woche und echter Work-Life-Balance profitiert.

Das Wichtigste in Kürze

  • Digitalisierung ist ein Kulturwandel, der beim Menschen anfängt, nicht bei der Software.
  • Die Gewinnung von jungen Talenten und die Bindung erfahrener Mitarbeiter hängen von modernen, flexiblen und digitalen Arbeitsbedingungen ab.
  • Fokussieren Sie sich auf durchgängige, mensch-zentrierte Prozesse statt auf isolierte App-Lösungen, um rechtliche Risiken zu vermeiden und echte Effizienz zu schaffen.

Wann übernehmen KI und Automatisierung im deutschen Handwerk die kritischen Aufgaben?

Die Begriffe Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung klingen für viele Handwerker nach Science-Fiction und der Angst, durch Roboter ersetzt zu werden. Diese Sorge ist jedoch unbegründet. Die Realität der KI im Handwerk ist weitaus pragmatischer und nützlicher. Es geht nicht darum, den erfahrenen Meister zu ersetzen, sondern ihn mit besseren Informationen und Werkzeugen auszustatten. Die KI wird zum Super-Assistenten, nicht zum Konkurrenten.

Diese Perspektive wird von Experten geteilt. Eine Studie des ifh Göttingen fasst es treffend zusammen:

KI wird nicht die kritische Aufgabe der Problemlösung oder des komplexen Handgriffs übernehmen, sondern den Meister ‚augmentieren‘. Die KI liefert die Daten und Analysen, der Mensch trifft die finale, erfahrungsbasierte Entscheidung.

– ifh Göttingen, Studie Digitalisierung im Handwerk 2024

Praktische Anwendungen gibt es schon heute, wie die Arbeit des Mittelstand-Digital Zentrums Handwerk zeigt. Seit Juli 2024 liegt dort ein Fokus auf KI, und es gibt bereits reale Beispiele: Eine KI-gestützte Angebotskalkulation lernt aus den Daten Ihrer Nachkalkulationen und erstellt immer präzisere Angebote. Eine andere Anwendung kann auf Baustellenfotos automatisch Baumängel erkennen und dokumentieren. Wieder eine andere optimiert die Tourenplanung Ihrer Servicetechniker intelligent, um Fahrzeiten und Kosten zu minimieren.

Die KI übernimmt also nicht die kritischen, erfahrungsbasierten Aufgaben, sondern die repetitiven, datenintensiven Routinejobs. Sie analysiert tausende von Datenpunkten in Sekunden, eine Fähigkeit, die kein Mensch besitzt. Der Meister nutzt diese Analyse dann, um eine fundiertere Entscheidung zu treffen. Die KI beantwortet das „Was?“, der Mensch entscheidet über das „Warum?“ und „Wie?“.

Wie gewinnen deutsche KMUs Fachkräfte durch flexible Arbeitszeitmodelle?

Der Fachkräftemangel ist die größte Wachstumsbremse für das deutsche Handwerk. Geld allein ist längst nicht mehr das entscheidende Argument, um gute Leute zu finden und zu halten. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) wird die Flexibilität der Arbeitsorganisation zum wichtigsten Hebel. Es geht darum, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter in verschiedenen Lebensphasen einzugehen. Eine alleinerziehende Mutter hat andere Wünsche als ein 25-jähriger Geselle oder ein erfahrener Meister kurz vor der Rente.

Flexible Arbeitszeitmodelle sind die Antwort auf diese Herausforderung. Dazu gehören nicht nur die bereits erwähnte 4-Tage-Woche, sondern eine ganze Palette von Möglichkeiten, die durch digitale Tools erst wirklich umsetzbar werden:

  • Flexible Arbeitszeiten (Gleitzeit): Mitarbeiter können Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit in einem definierten Rahmen selbst bestimmen.
  • Teilzeitführung: Führungspositionen, die nicht in Vollzeit ausgeübt werden, um auch Eltern oder pflegenden Angehörigen Karrierechancen zu bieten.
  • Digitale Arbeitszeitkonten: Überstunden aus saisonalen Spitzen können angespart und in ruhigeren Zeiten als Freizeit abgebaut werden.
  • Angebote für ältere Mitarbeiter: Eine Studie der Deutschen Handwerks Zeitung zeigt, dass sich 83% der Über-50-Jährigen vor allem mehr freie Zeit wünschen. Modelle, die einen gleitenden Übergang in den Ruhestand ermöglichen, sind ein enormes Pfund zur Bindung von Erfahrungsträgern.

Die technische Grundlage für all diese Modelle ist eine saubere, GoBD-konforme digitale Zeiterfassung. Sie schafft die notwendige Transparenz und rechtliche Sicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein Betrieb, der solche flexiblen und lebensphasenorientierten Modelle anbietet und dies aktiv kommuniziert, hat einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Er signalisiert Wertschätzung und beweist, dass er die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter ernst nimmt – das stärkste Argument im Kampf um die besten Fachkräfte.

Um im Wettbewerb um Talente zu bestehen, ist ein Umdenken erforderlich. Es ist entscheidend, die strategische Bedeutung flexibler Arbeitsmodelle als Kern der modernen Unternehmenskultur zu erkennen.

Die vollständige Digitalisierung Ihrer Auftragsabwicklung ist also weit mehr als eine technische Umstellung. Es ist ein strategischer Kulturwandel, der Ihren Betrieb widerstandsfähiger, effizienter und vor allem attraktiver für die Fachkräfte von heute und morgen macht. Beginnen Sie jetzt damit, nicht nur Ihre Papiere, sondern auch Ihre Denkweisen zu digitalisieren.

Häufige Fragen zur Digitalisierung im Handwerk

Welche digitalen Signaturarten gibt es nach der eIDAS-Verordnung?

Die eIDAS-Verordnung definiert drei Hauptarten: die Einfache Elektronische Signatur (SES), die Fortgeschrittene Elektronische Signatur (AES) und die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES). Diese unterscheiden sich erheblich in ihrer technischen Sicherheit und ihrer rechtlichen Beweiskraft vor Gericht.

Was ist das Risiko bei einfachen Unterschriften auf einem Tablet?

Eine einfache Unterschrift auf einem Tablet-Display (SES) hat eine sehr schwache Beweiskraft. Im Streitfall, besonders bei Nachträgen, kann der Kunde die Unterschrift leicht anfechten. Dies kann dazu führen, dass Sie Ihre Forderungen nicht durchsetzen können. Für rechtssichere Dokumentationen im Handwerk ist diese Art der Signatur unzureichend.

Welche digitale Signatur-Lösung wird für das Handwerk empfohlen?

Für die meisten Anwendungsfälle im Handwerk, wie Abnahmeprotokolle oder Regieberichte, wird mindestens eine Fortgeschrittene Elektronische Signatur (AES) empfohlen. Diese ist eindeutig dem Unterzeichner zuzuordnen und schützt vor nachträglicher Manipulation. Wichtig ist zudem eine revisionssichere Protokollierung und GoBD-konforme Archivierung durch die verwendete Software.

Geschrieben von Stefan Keller, Diplom-Ingenieur für Bauwesen und zertifizierter Energieeffizienz-Experte mit Schwerpunkt auf nachhaltiges Bauen und Handwerk 4.0. 12 Jahre Erfahrung in der Sanierung von Bestandsimmobilien und Smart-Home-Integration.